Batterieelektrische Antriebe können günstiger mit erneuerbarem Strom versorgt werden als Wasserstoff-Lkw
Batterieelektrische Antriebe können günstiger mit erneuerbarem Strom versorgt werden als Wasserstoff-Lkw
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Treibausgasemissionen im Straßengüterverkehr deutlich reduziert werden. Hierfür werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, vor allem der verstärkte Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen oder solchen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen. Eine Studie von Forschern des DIW Berlin und des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) zeigt, dass batterieelektrische Lkw deutlich kostengünstiger mit erneuerbarem Strom betrieben werden können als Alternativen mit Wasserstoff oder E-Fuels. Eine optimierte Aufladung der Fahrzeugbatterien verstärkt diesen Vorteil zusätzlich. Obwohl Wasserstoff vergleichsweise günstig gespeichert werden kann, überwiegen seine Nachteile bei der Energieeffizienz. Auch mit Blick auf den Stromsektor spricht somit vieles dafür, dass die Bundesregierung den Markthochlauf direkt elektrifizierter Schwerlastfahrzeuge fördern sollte. Durch geeignete Regulierung und Preissignale sollten dabei Anreize für ein möglichst optimiertes Laden der Fahrzeugbatterien sowie eine Rückspeisung ins Netz geschaffen werden.
Um die Klimaschutzziele für Deutschland zu erreichen, müssen die Emissionen in allen Sektoren deutlich sinken. Unter anderem wegen eines kürzlich veröffentlichten Gutachtens des Sachverständigenrats für Wirtschaft ist zuletzt der Straßengüterverkehr in den Fokus der öffentlichen Debatte gerückt. Er ist derzeit für rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich. Es wird kontrovers diskutiert, welche Antriebstechnologie sich künftig durchsetzen wird und welche Infrastruktur gefördert werden soll.
Im Pkw-Bereich haben sich batterieelektrische Fahrzeuge gegenüber solchen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen durchgesetzt. Derzeit gibt es in Deutschland rund 1,5 Millionen batterieelektrische Pkw (drei Prozent des Gesamtbestands), aber nur rund 2.100 Pkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellen (0,004 Prozent). Bei den Nutzfahrzeugen dagegen scheint das Rennen noch offen zu sein. Auch hier haben batterieelektrische Fahrzeuge gegenüber solchen mit Brennstoffzellen im Moment einen Vorsprung. Von den derzeit in Deutschland zugelassenen knapp 3,8 Millionen Lkw fahren gut 82.000 rein batterieelektrisch (2,2 Prozent) sowie knapp 200 mit Brennstoffzelle (0,005 Prozent). Unter den für den Schwerlastverkehr besonders wichtigen Sattelzügen gibt es bisher gut 500 batterieelektrische (0,2 Prozent) und nur vier mit Brennstoffzelle (0,002 Prozent). Daneben werden andere Antriebe beziehungsweise Infrastrukturen diskutiert, unter anderem elektrische Oberleitungsfahrzeuge sowie strombasierte synthetische Kraftstoffe („E-Fuels“) für Fahrzeuge mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren.
Der Sachverständigenrat für Wirtschaft hat sich in seinem Frühjahrsgutachten mehrheitlich dafür ausgesprochen, angesichts knapper Fördermittel den Ausbau der Ladeinfrastruktur für batterieelektrische Nutzfahrzeuge zu priorisieren. Zu den angeführten Gründen hierfür gehören die hohe Marktreife dieser Fahrzeuge sowie der dadurch mögliche Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele im Jahr 2030. Außerdem seien batterieelektrische Fahrzeuge wirtschaftlicher als solche mit Wasserstoff-Brennstoffzellen. Allerdings gibt es im Gutachten auch ein Minderheitsvotum, das sich für eine weitere Förderung des Ausbaus auch von Wasserstoff-Tankstellen ausspricht. Begründet wird dies mit der Wahrung industriepolitischer Chancen für deutsche Hersteller auf dem Weltmarkt sowie mit einer Absicherung langfristiger Klimaschutzziele durch das Offenhalten verschiedener technologischer Optionen.
Ein relativ wenig beachteter Aspekt in der Debatte ist die Frage, wie sich verschiedene Alternativen zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs auf den Stromsektor auswirken. Batterieelektrische Lkw und solche mit Wasserstoff-Brennstoffzellen unterscheiden sich nicht nur in ihrer Energieeffizienz, sondern haben auch unterschiedliche große Möglichkeiten, ihren Strombezug mit der fluktuierenden Stromerzeugung aus Windkraft und Solarenergie in Einklang zu bringen. Dadurch können sich die Kosten der Stromversorgung dieser Fahrzeuge deutlich unterscheiden. Hierzu haben Forscher des DIW Berlin und des ifeu-Instituts eine modellbasierte Untersuchung veröffentlicht.
Für die Analyse wurde das am DIW Berlin entwickelte, quelloffene Stromsektormodell DIETER genutzt. Es minimiert die Gesamtkosten der Stromversorgung von Deutschland und seinen Nachbarländern, indem es einen möglichst günstigen Kraftwerkspark sowie dessen optimalen Einsatz zur Deckung der Stromnachfrage bestimmt. Dabei werden fixe und variable Kosten aller Stromerzeugungs- und Speichertechnologien berücksichtigt. Die Kostenunterschiede der Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur sowie der unterschiedlichen Fahrzeuge selbst sind nicht Teil der Modellierung. Untersucht werden Szenarien des Jahres 2030 mit einem Anteil erneuerbarer Energien von mindestens 80 Prozent in Deutschland. Eine stündliche Auflösung erlaubt es, Fluktuationen von Windkraft und Solarenergie und die Rolle von verschiedenen Arten von Energiespeichern detailliert abzubilden.
Es werden vier alternative Szenarien zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs im Jahr 2030 verglichen: zwei direkt elektrifizierte mit rein batterieelektrischen oder oberleitungselektrischen Fahrzeugen und zwei indirekt elektrifizierte mit Wasserstoff-Brennstoffzellen oder auf Wasserstoff basierenden E-Fuels. Dabei wird angenommen, dass alle Schwerlastfahrzeuge jeweils den gleichen Antrieb haben. Diese Szenarien sind für 2030 nicht als realistische Prognose zu verstehen, sondern dienen der Illustration der maximal auftretenden Stromsektoreffekte. Wasserstoff beziehungsweise E-Fuels müssen dabei annahmegemäß heimisch produziert werden und können nicht kostengünstig aus anderen Weltregionen bezogen werden. Dies erscheint plausibel, da andere Sektoren, vor allem die Industrie, bereits einen sehr hohen prognostizierten Wasserstoffbedarf haben, so dass kostengünstige Wasserstoff-Importpotenziale für den Straßenverkehr auf absehbare Zeit kaum zur Verfügung stehen dürften.
Batterieelektrische Fahrzeuge können deutlich günstiger mit Strom versorgt werden als solche mit Wasserstoff-Brennstoffzellen oder E-Fuels
In allen Szenarien steigen die Stromsektorkosten gegenüber der Referenz mit herkömmlichen Dieselfahrzeugen an, da der Stromverbrauch steigt (Abbildung 1). Dieser Anstieg ist bei batterieelektrischen Fahrzeugen am geringsten und bei Oberleitungsfahrzeugen nur minimal höher. Eine Elektrifizierung des gesamten Schwerlastverkehrs in Deutschland mit diesen Technologien würde den Stromverbrauch um gut 40 Terawattstunden oder rund acht Prozent des heutigen Bedarfs erhöhen. Die damit verbundenen Kostensteigerungen fallen bei einer optimierten Aufladung mit 2,3 Milliarden Euro pro Jahr oder rund 7.200 Euro pro Fahrzeug deutlich geringer aus als bei einer ungesteuerten Ladestrategie mit 3,8 Milliarden Euro pro Jahr oder 11.900 Euro pro Fahrzeug. Nur ungefähr halb so teuer wird es, wenn Strom aus den Fahrzeugbatterien auch ins Netz zurückgespeist werden kann. Optimiert geladene oberleitungselektrische Fahrzeuge verursachen einen etwas höheren Anstieg der Kosten der Stromversorgung als rein batterieelektrische. Grund hierfür ist, dass sie deutlich kleinere Batterien haben und somit während der Standzeiten ihren Stromverbrauch weniger in günstige Stunden mit besonders hoher Verfügbarkeit von Wind- und Solarenergie verlagern können. Angenommen wird dabei, dass die Fahrzeuge im Depot immer die Möglichkeit einer Netzverbindung haben.
Dagegen sind die Kosten der Stromversorgung von Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeugen sehr viel höher. Dies liegt nicht daran, dass der für die Wasserstoffbereitstellung genutzte Strom besonders teuer wäre, sondern daran, dass eine indirekte Elektrifizierung über Wasserstoff deutlich weniger energieeffizient ist. In Verbindung mit zentralen Wasserstoff-Großspeichern sind die durchschnittlichen Preise des für die Elektrolyse genutzten Stroms sogar günstiger als die des Ladestroms für nicht optimiert geladene batterieelektrische Lkw. Allerdings wird dieser Vorteil durch die hohen Umwandlungsverluste bei der Wasserstofferzeugung und -speicherung mehr als aufgewogen. Dies gilt noch mehr bei der Variante mit E-Fuels, die mit günstigeren Speichermöglichkeiten, aber noch höheren Wandlungsverlusten einhergeht. Somit wird der positive Flexibilitätseffekt von Wasserstoff- beziehungsweise E-Fuel-Speichern für den Stromsektor durch ihre schlechte Energieeffizienz mehr als aufgewogen. Manchmal wird argumentiert, dass Energieeffizienz zweitrangig sei, wenn günstiger erneuerbarer „Überschussstrom“ für die Wasserstoffproduktion genutzt werden kann. Dies ist jedoch im europäischen Stromverbund auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
Quelle: DIW Berlin vom 26.06.2024
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