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Lässt sich die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad begrenzen?

Lässt sich die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad begrenzen?

Oft wird behauptet, das 1,5-Grad-Ziel sei längst außer Reichweite, da der Klimawandel bereits zu weit fortgeschritten sei. Doch wie realistisch ist dieses Ziel wirklich und welche Konsequenzen hätte ein Scheitern?

Wie nah sind wir an der 1,5-Grad-Grenze?

Im Jahr 2024 wurde die Schwelle von 1,5 Grad globaler Erwärmung erstmals überschritten. Laut dem EU-Klimadienst Copernicus lag die Temperatur sogar 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau von 1850 bis 1900. Hauptursache ist der vom Menschen verursachte Klimawandel, verstärkt durch das Wetterphänomen El Niño, das zusätzliche Hitze brachte.

Bedeutung des 1,5-Grad-Ziels

Das Ziel wurde 2015 im Pariser Klimaabkommen von fast allen Staaten der Welt festgelegt. Sie einigten sich darauf, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen und nach Möglichkeit bei 1,5 Grad zu halten. Die aktuelle Überschreitung bedeutet jedoch nicht automatisch, dass das Ziel endgültig verfehlt wurde. Denn es bezieht sich auf langjährige Mittelwerte, nicht auf einzelne Jahre. Zwischen 2011 und 2020 lag die Erwärmung laut Weltklimarat IPCC beispielsweise bei 1,09 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

War 2024 eine Ausnahme?

Die Rekordhitze von 2024 könnte ein temporäres Phänomen sein. Experten gehen davon aus, dass die Temperaturen in den kommenden Jahren wieder leicht sinken könnten, wenn der Einfluss von El Niño abnimmt. Allerdings bleibt die langfristige Erwärmung bestehen.

Wann gilt das 1,5-Grad-Ziel als verfehlt?

Ob das Ziel endgültig als gescheitert gilt, hängt davon ab, welche Zeitspanne zur Berechnung herangezogen wird. Klimawissenschaftler verwenden häufig Mittelwerte aus 20 oder 30 Jahren, wodurch es keinen eindeutigen Moment gibt, in dem das Ziel offiziell als verfehlt gilt. Verschiedene Organisationen könnten daher zu unterschiedlichen Zeitpunkten das “Ende” des Ziels verkünden.

Ein politisches, kein rein wissenschaftliches Ziel

Das 1,5-Grad-Ziel wurde nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen festgelegt, sondern auch, um die Dringlichkeit des Klimaschutzes in eine konkrete, messbare Zahl zu fassen. Klimaforscher warnen jedoch davor, sich zu sehr auf diese eine Marke zu fixieren und dabei die eigentliche Notwendigkeit der Emissionsreduktion aus den Augen zu verlieren.

Warum wurde das Ziel überhaupt festgelegt?

Das Pariser Abkommen beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zeigen, dass mit steigender Erwärmung die Klimarisiken massiv zunehmen. Bereits ab einer Erwärmung von 1,5 Grad drohen gravierende Folgen wie unbewohnbare Regionen durch extreme Hitze und steigende Ernährungskrisen durch Ernteausfälle. Jenseits von 2 Grad verschärfen sich diese Risiken noch weiter.

Ist die Begrenzung auf 1,5 Grad noch realistisch?

Fachleute sind sich weitgehend einig: Langfristig wird die Erwärmung die 1,5-Grad-Marke überschreiten. Selbst wenn ab sofort keine Treibhausgase mehr ausgestoßen würden, wäre eine deutliche Temperatursteigerung kaum vermeidbar. Eine mögliche Lösung könnte die massive Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre sein, doch dafür gibt es derzeit keine ausreichend skalierbaren Technologien.

Warum Klimaschutz trotzdem essenziell bleibt

Auch wenn das 1,5-Grad-Ziel kaum mehr erreichbar erscheint, bedeutet das nicht, dass Klimaschutz sinnlos ist. Jede vermiedene Erwärmung hilft, Risiken zu minimieren. Das Pariser Abkommen sieht vor, die Erwärmung zumindest unter 2 Grad zu halten. Selbst eine Reduktion auf 1,8 oder 1,9 Grad wäre besser als ein unkontrollierter Anstieg auf 2,5 oder 3 Grad.

Hoffnungsschimmer: Erneuerbare Energien im Aufwind

Trotz steigender Emissionen gibt es positive Entwicklungen: Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet rasch voran, wodurch der Verbrauch fossiler Energieträger zurückgeht. Damit Emissionen jedoch wirklich sinken, müssen Kohle, Öl und Gas gezielt und konsequent ersetzt werden.

Soziale Faktoren als Herausforderung

Die größte Hürde für das Erreichen der Klimaziele ist nicht die technische Machbarkeit, sondern gesellschaftliche und politische Dynamiken. Der “Hamburg Climate Futures Outlook” untersucht soziale Faktoren, die den Klimaschutz beeinflussen. Dazu gehören internationale Klimapolitik, wirtschaftliche Interessen, Konsumverhalten und Klimaproteste. Viele dieser Faktoren bremsen die notwendigen Veränderungen aus.

Unzureichende Klimaziele der Staaten

Selbst wenn die globalen Emissionen in naher Zukunft stagnieren, reichen die derzeitigen Klimaplanungen der Staaten nicht aus, um die Erwärmung unter 2 Grad zu halten. Der Climate Action Tracker prognostiziert bei den aktuellen Maßnahmen eine Erwärmung von bis zu 2,7 Grad bis 2100. Auch der Emissions Gap Report der UN warnt, dass die geplanten Maßnahmen nicht genügen, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen.

Was passiert, wenn 1,5 Grad endgültig überschritten werden?

Das Erreichen dieser Schwelle bedeutet nicht, dass die Klimakrise von einem Tag auf den anderen eskaliert. Bereits jetzt nehmen Extremwetterereignisse wie Hitzewellen und Starkregen zu. 2024 war eines der schadenreichsten Jahre für Versicherungen, was auch auf den Klimawandel zurückgeführt wird. Je weiter die Temperatur steigt, desto größer wird die Gefahr, dass sogenannte Kipppunkte erreicht werden, die die Erwärmung unkontrollierbar beschleunigen.

Fazit: Jedes Zehntelgrad zählt

Klimaforscher betonen, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht mit dem Überschreiten der 1,5-Grad-Marke endet. Auch wenn dieses Ziel verfehlt wird, bleibt es essenziell, die Erwärmung so weit wie möglich zu begrenzen. Denn jedes Zehntelgrad weniger bedeutet weniger Extremwetter, weniger Zerstörung und bessere Zukunftschancen für kommende Generationen.

(Quelle: Quarks vom 09.01.2025)

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