Q & A Landwirtschaft im Wandel – Agri-Photovoltaik für Forschung und Implementierung Fragen der Teilnehmenden des Webinars am 29.05.2024
Diese Fragen sind innerhalb der online Veranstaltung “Agri-Photovoltaik: Landwirtschaft im Wandel – Ernten Sicher, Energie gewinnen, Zukunft gestalten” entstanden und wurden im Nachgang von unserem Expertenpanel, bestehend aus Dr. Hubert Aulich, Prof. Dr. Kerstin Wydra, Daniel Dechmann-Annus, Mark Kugel und Martin Hirschmann beantwortet.
Unsere Empfehlung: Lesen Sie zunächst die DIN SPEC 91434 (Standardisierung für innovative Lösungen) um einen guten Überblick über das Thema Agri-PV und dessen technische Umsetzung zu haben!
Themenbereich Landwirtschaft:
Gibt es mittlerweile einen Gemüsebaubetrieb mit Agri-PV drüber?
International gibt es zahlreiche Beispiele für APV im Gemüseanbau; besonders vorteilhaft mit Ertragssteigerungen erwiesen sich Blattgemüse. Eventuelle Auswirkungen von Beschattung sind nicht linear zu eventuellen Ertragsverlusten, da die Beschattungseffekte durch positive Auswirkungen in Bezug auf Temperatur, Sonnenbrand, Bodenfeuchtigkeit etc. ausgeglichen werden. Angebaut werden u.a. Bohnen, Aubergine, Paprika, Tomate, Salat, Kräuter, Gurke, Melone, Zucchini, Spinat, Kartoffel, Kohl, Soja, Augenbohne, mit zum Teil auch stark erhöhten Erträgen. Ertragsverluste sind abhängig von Kultur, Sorte, Witterung etc.
Mir sind Planungen und ein eingereichtes Konzept bei Hanau bekannt, hier könnte ich den Kontakt herstellen. (Prof. Dr. K. Wydra)
Weitere Beispiele in Deutschland:
- Gemüsebauern Heggelbach (Deutschland): In Heggelbach, Baden-Württemberg, wurde 2019 eine Agri-PV-Anlage auf einer Fläche von 0,7 Hektar installiert. Die Anlage umfasst 1.400 Solarmodule und bewirtschaftet wird darunter Sellerie.
- Hochschule Weihenstephan-Triesdorf : Kohl
- Weihenstephan/ Freisingen (Bayern): Gemüseanbau [Nachgeführete PV-Tische, PV-Röhren] (Quelle: Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende Ein Leitfaden für Deutschland | Stand Februar 2024)
- Alt-Morschenich, Kreis Düren, Nordrhein-Westfalen: Gemüse- und Ackerbau, Nachgeführt und fix ausgerichtet, inkl. Wassermanagement (Quelle: Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende Ein Leitfaden für Deutschland | Stand Februar 2024) AgriFEE Agri Horti PV (J. Happ)
Gibt es dazu schon Zahlen und Daten, wie sich bei unterschiedlichen Agri-PV Anlagentypen die Frosteinwirkung reduziert?
- Die Versuchsstation Haidegg in Österreich liefert wertvolle Daten zum Thema Frostschutz – und Pflanzenschutz generell – in Agri-Photovoltaik (APV)-Anlagen. Demnach bieten hochaufgeständerte Anlagen über Obstbäumen, je nach Ausrichtung und Höhe der Module, einen gewissen Schutz vor Frostschäden, nachgewiesen insbesondere im April 2024 (https://www.agrar.steiermark.at/cms/beitrag/12945362/13888112/). Im Gegensatz dazu bieten vertikale oder bodennahe APV-Anlagen keinen nennenswerten Frostschutz. Die Hochschule Geisenheim hingegen vertritt die Ansicht, dass APV-Anlagen grundsätzlich Vorteile für den Weinanbau bieten. (Prof. Dr. K. Wydra)
Wie weise ich konkret die 66% Ertrag nach, in den Jahren, wo die Flächen beweidet werden z.B. durch Schafe oder Rinder? Stichwort: Gründüngung in der Fruchtfolge, Ackerkleegras
- Muss von Gesetzgeber noch definiert werden (Dr. H. Aulich)
- Für Tierhaltung soll ein Tierhaltungskonzept vorgelegt werden (zukünftige DIN SPEC für ‚APV-Tier‘) (Prof. Dr. K. Wydra)
Was passiert, wenn ich die 66% Mindesterträge nicht erwirtschaften kann oder in 10 Jahren keinen Betriebsnachfolger finde, der die Erträge sichert, wenn ich in Rente gehe?
- Die konkreten Anforderungen und Nachweisverfahren für die Erzielung von 66% Erträgen bei Beweidung bedürfen noch der Definition durch den Gesetzgeber. Dies gilt auch für die Frage der Konsequenzen bei Nichterfüllung der 66% Mindesterträge und die Problematik der Betriebsnachfolge. Da die Nachfrage von qualifizierten Landwirten nach bewirtschaftbarem Ackerland seit Jahren anhaltend hoch ist, scheint das Risiko keine Nachfolge zu finden, relativ gering. (M. Hirschmann & Dr. H. Aulich)
Themenbereich Anlage:
Hinsichtlich Flächenbewirtschaftung verspricht die Drahtseilaufhängung offensichtlich attraktive Vorteile. Gibt es hierzu bereits detaillierte Informationen über Technologie und Kosten und Prognosen über die zu erwartende Lebensdauer? Wie werden die Preise für die französische Seilaufständerung sein?
- Da die Technologie sich weiterhin in der Erprobungsphase befindet, gibt es keine Kommerziellen Anbieter und auch keine garantierte Lebensdauer (Dr. H. Aulich)
- Für weitere Informationen können Sie sich an die Firma Zimmermann wenden (https://pv-agri.de/), die die Systeme gebaut haben, oder an Krinner Carport GmbH (s.o.) (Prof. Dr. K. Wydra)
Wo bekommt man ggf. das Know-How für eine Agri-PV Seil-Aufständerung?
- Die Firma Zimmermann (https://pv-agri.de/) und TSE in Frankreich sind Vorreiter in der Entwicklung von Seilaufständerungen. Die Technologie befindet sich allerdings noch in der Pilotphase und wird voraussichtlich im nächsten Jahr kommerziell verfügbar sein. Darüber hinaus arbeiten weitere Firmen aktiv an der Weiterentwicklung von Seilaufständerungssystemen, z.B. Krinner Carport GmbH: https://www.krinner-solar.com/apv. (Prof. Kerstin Wydra)
Werden Netzanschlusskosten auch gefördert? Die Trafokosten sind sehr hoch.
- Nein (Prof. Dr. K. Wydra)
Themenbereich Gesetzeslage:
Wie sichern Sie sich als Betreiber ab, dass die DIN SPEC landwirtschaftlicherseits eingehalten werden? Gibt es da Erfahrungen mit dem EEG wenn es Unstimmigkeiten gibt?
- 1.) Kann ich nicht absichern. 2.) Leider Nein. Diese Anlagentypen sind noch zu jung, um Erfahrungswerte abzubilden. Selbstverständlich gehen alle Daten in die richtige Richtung, dass tatsächlich Synergien zwischen Landwirtschaft und Photovoltaik entstehen, doch können regnerische kalte Sommer hier diese Synergie durch Minderertrag gegenüber konventioneller Landwirtschaft in Frage stellen.
Aus der DIN SPEC:
5.2.10 Landnutzungseffizienz: „Es muss sichergestellt sein, dass der Ertrag der Kulturpflanze(n) auf der Gesamtprojektfläche nach dem Bau der Agri-PV-Anlage mindestens 66 % des Referenzertrages beträgt. Die Ertragsreduktion der landwirtschaftlichen Kulturen ergibt sich aus dem Verlust an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche durch die Aufbauten/Unterkonstruktionen der Agri-PV-Anlage und aus der Verringerung des Ertrages durch Beschattung, verminderter Wasserverfügbarkeit usw.“ Ich schätze dieses Ziel jedoch für machbar ein. Reduktion der Landwirtschaftlichen Fläche. 10-15 % nach DIN SPEC somit bleiben noch 19 – 24% des Referenzbetrages übrig. Bodennahe geführte Tracker sind besonders effizient, was die nicht nutzbare Fläche für die Landwirtschaft angeht.
Wasserreduktion: Gibt es nicht. Es gibt eine ungünstigere Verteilung des Niederschlags auf der Fläche. Bei Trackersystemen, die bei 80° bei Regen steil stehen können ist diese Verteilung meiner Meinung nach vernachlässigbar. Es gibt hierzu aber auch keine Studien, die meine Behauptung belegen
Ergänzung Prof. K. Wydra: Zudem sind auch Module verfügbar, die in Spalten den Regen durchlassen und auch verteilen.
Beschattung: Bei festinstallierten Systemen ein Thema. Bei Trackern kann man im Nutzungskonzept dem Landwirt eine Abstimmung anbieten, um seine Ernte zu verbessern. Feldfrüchte z.B. brauchen nicht rund um die Uhr Sonne. Sie brauchen genau zum richtigen Zeitpunkt und über eine bestimmte Zeitspanne Sonne. Das ist ja das Dilemma der Landwirtschaft. Die Qualität der Ernte ist von einer fein abgestimmten Menge von Licht, Wärme und Wasser abhängig, wenn man nur die Umweltfaktoren betrachtet. (Daniel Dechmann-Annus)
Ergänzung Prof. K. Wydra: Die Beschattungsstärke bzw. Transparenz und damit photosynthetisch aktive Strahlung kann auch durch die Nutzung semi-transparenter Module und die Reihenabstände bei höher und hoch aufgeständerten Modulen bestimmt werden; zumeist machen die Schutzfunktionen der hoch aufgeständerten Module mögliche negative Effekte der Beschattung teils mehr als wett.
Hat das Solarpaket 1 etwas an der Wirtschaftlichkeit der APV geändert? Also ganz konkret: Wenn ich einen Flächeneigentümer überzeugen will, statt 20 ha FFPV Grünland auf 20 ha APV Grünland zu machen, gibt mir das Solarpaket 1 neue Wirtschaftlichkeitsargumente?
- Das Solarpaket 1 hat die Wirtschaftlichkeit von APV in Deutschland teilweise verbessert: Erhöhte Einspeisevergütung: Das Solarpaket 1 hat die Einspeisevergütung für Strom aus APV-Anlagen leicht erhöht (max. 9,5 ct pro KWh). Dies kann den Ertrag der Anlage und somit die Wirtschaftlichkeit verbessern Flächendeckende Ausschreibung: Die Möglichkeit, APV-Anlagen über die flächendeckende Ausschreibung zu fördern, kann die Planungssicherheit für Investoren erhöhen und zu geringeren Kosten führen.
Sind Ihnen mittlerweile Genehmigungen bekannt für die hofnahen privilegierten Anlagen?
- Leider nein für mich nicht. Hier müssen wir eine Bauvoranfrage stellen, um Rechtssicherheit zu bekommen. Größter Knackpunkt ist die Größe der Auslegung der Grundfläche. Unsere Juristen sind der Meinung, dass der Gesetzgeber die Anlagenfläche meinte, aber Grundfläche schrieb. Es gibt aber auch ein Interview aus der Top Agrar, wo ein Jurist zu einem ganz anderen Schluss kommt. https://www.topagrar.com/betriebsleitung/news/baugesetzbuch-experte-interview-novelle-privilegierte-hofnahe-agri-photovoltaik-1-20003231.html
Wir wollen in Erfurt nun so ein Vorhaben auf den Weg bringen. (D. Dechmann-Annus) - Am besten fragen Sie da bei SunFarming nach, da die dies als einen Schwerpunkt auf Ihrer Website behandeln Link: https://sunfarming.de/geschaeftsbereich/agri-und-oeko-solaranlagen/25-ha-privilegierte-hofanlagen (J. Happ)
Anderes:
Wieviel Ausgleichs-und Ersatzmaßnahmen für eine reine Agri PV Anlage halten Sie für angemessen?
- Keine. Es erfolgt weiterhin Landwirtschaft, sogar unter umweltschonenderen Bedingungen (laut unserer neusten Studie, MA Arbeit Anja Ludzuweit, derzeit in der Veröffentlichung) erhöhen sich in APV Anlagen die Ökosystemdienstleistungen. In Bayern wird diskutiert, diese Anlagen selbst als Ausgleichsmaßnahme anzuerkennen. Wir erwarten vom Bund Festlegungen in diese Richtung. (Prof. Dr. K. Wydra)
- Man kann diese Fragen leider nicht pauschal beantworten, da jede Anlage individuell betrachtet werden muss. Hier muss man eine Umweltanalyse mit Schutzgüterabwägung durchführen. Daraus erfolgen dann die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.
Eine Habitatkartierung und Artenkartierung von Fauna und Flora ist Pflicht.
Eine Agri PV Anlage ist immer noch eine PV-Anlage die eingefriedet ist.
Eine Agri PV Anlage ist immer noch eine Anlage, auf der sich Solarmodule befinden.
Es sind in erster Linie die Offenlandarten, die hier beeinträchtigt werden. Sie nisten in der Regel auf dem Feld und wenn auf dem Solarfeld Ackerbau stattfindet, ist neben der Beeinträchtigung durch die Solarmodule auch die Landwirtschaftliche Nutzung zu betrachten.
Es müssen hier Ausgleichsflächen für diese Arten gefunden werden. Pro Brutpaar rechnet man hier 0,5 bis 0,8 ha. Je nach Situation und Dichte.
Weiter sollte sich der Landwirt verpflichten erst nach dem Flüggewerden die Ernte einzuholen. Das muss man jedoch erst einmal diskutieren, ob dies machbar ist. Normalerweise ist der Landwirt von Tötung / Störung streng geschützter Arten, die sich auf seinem Feld befinden befreit. Ein Kompromiss wäre z.B. das Einholen einer im Umweltbericht vorab fixierten Sondergenehmigung.
(D. Dechmann-Annus)
Gibt es in Thüringen einen sachverständigen Gutachter für AGRI PV?
- In den Ministerien und Behörden gibt es diese Sachverständigen nicht – die Offizialberatung und das Sachverständigenwesen sind in TH privatisiert (worden).
(F. Augsten) - Die landwirtschaftlichen Konzepte werden derzeit bei der Bundesnetzagentur eingereicht, die sie dann an Landwirtschaftskammern weiterreicht. Leider fehlt überall noch die Expertise. (Prof. Dr. K. Wydra)